Eine Idee, deren Zeit gekommen ist: Das Regiogeld

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Eine Idee, deren Zeit gekommen ist: Das Regiogeld
2004 war es, als ich zum ersten Mal mit Regionalgeld in Berührung kam; es war die Zeit, als in vielen Städten und Regionen verschiedenste Ausprägungen einer ähnlichen Idee als Initiativen aus dem Boden sprossen. In der Hochphase gab es mehrere Hundert verschiedene Regionalgelder allein in Deutschland.

Silvio Gesell um 1895

Da gab es so wohlklingende Namen wie den Sterntaler im Berchtesgadener Land, den Carlo in Karlsruhe, die Bürgerblüte im Raum Kassel, den Roland in Bremen oder den Urstromtaler in Sachsen-Anhalt. Ein jüngeres, sehr erfolgreiches Beispiel, ist die RegioMark Rhein/Mosel, gegründet vor rund zehn Jahren (siehe Kasten). Das wohl bekannteste, mit dem größten intakten Netzwerk, ist der Chiemgauer in Bayern.

Was ist nun ein Regionalgeld? Er wird auch als Alternativ- oder Komplementärwährung bezeichnet, im Grunde ist es ein Gutscheinsystem, ähnlich Miles & More oder Payback. Letztere dienen jedoch vordringlich anderen Zwecken, wie der Kundenbindung und der Eruierung von Verbrauchervorlieben. Gutscheinsystem übrigens deshalb, weil eine echte Parallelwährung zum Euro in Deutschland gesetzlich gar nicht erlaubt wäre.

2007 habe ich eine Autorin darauf angesetzt, sich diese bunte Welt etwas genauer anzuschauen und einen Artikel darüber zu schreiben. Sie war anfänglich völlig unbedarft, dann Feuer und Flamme und schließlich doch etwas ernüchtert. Und dafür gab es mehrere Gründe.

Doch zuvor ein paar Gedanken zur Notwendigkeit eines Regionalgeldes: Im Zuge der Globalisierung der Wirtschaft kommt es vereinfacht gesagt zu dem Effekt, dass Geld nicht mehr in den Regionen verbleibt, sondern in die Konzernkassen abfließt, oder sogar ins Ausland, z. B. nach Irland oder in andere Steueroasen. Das Geld fehlt dann jedoch der Wirtschaft vor Ort. Ohne Geld keine Geschäfte. Dieser negative Effekt ist Hauptmotiv für ein Regionalgeld, als einer Art „Ersatzwährung“ für Marktteilnehmer innerhalb einer Region. Sie wird ausschließlich dort akzeptiert – bei sogenannten Akzeptanzstellen (unabhängige Läden, Selbständige, Freiberufler …) – und stellt so auch sicher, dass das „Geld“ in der Region verbleibt. Insofern ist die Devise nicht „Think global, act local“, sondern „Think regional, act regional“.

Um das besser verstehen zu können, sei ein kurzer Blick in die Vergangenheit erlaubt: Der Fall Wörgl aus Tirol ist das wohl bekannteste und erfolgreichste Freigeldexperiment, gut belegt, über den es einige Bücher und Dokumentarfilme gibt. 2018 erschien sogar ein Spielfilm („Das Wunder von Wörgl“). Um was ging es?

Im Zuge der Weltwirtschaftskrise steht die Gemeinde Wörgl vor der Pleite. Der neue Bürgermeister wurde per Los bestimmt, weil keiner das Amt übernehmen wollte. Die Leute damals sparten aus Angst, wo es ging, was die Krise indes verschlimmerte. Zudem kam es zu kuriosen Situationen; so war das Dach des Rathauses kaputt, während es im Ort einen arbeitslosen Dachdecker gab. Die Gemeinde konnte aber keinen Auftrag vergeben, weil kein Geld verfügbar war.

1932 druckte der Bürgermeister deshalb eine eigene Währung, ein sogenanntes umlaufgesichertes Schwundgeld, das sich rasch etablierte. Er orientierte sich dabei an dem Sozialreformer und Anarchist Silvio Gesell (1862–1930). Eine von Gesells Kernthesen war sicherzustellen, daß Geld in Umlauf bleibt, denn nur so könnten Geschäfte gemacht werden und eine gesunde Wirtschaft gedeihen. Sparer würden diesem Kreislauf Geld entziehen, so Gesell, was verhindert werden muß, indem zurückgehaltenes Geld quasi rosten sollte, also an Wert verliert bzw. umgekehrt Anreize geschaffen werden sollten, es in Umlauf zu halten. Kurzum: Das Projekt Wörgl war so erfolgreich, daß angrenzende Gemeinden ähnliches umsetzen wollten. Am Ende wurde es verboten. Das sollte uns jedoch nicht konsternieren, sondern eher ermutigen.

Zurück zur Autorin, warum war sie am Ende ihres Artikels ernüchtert? Sie fand z. B. heraus, daß Regionalwährungen unterschiedlich gedeckt sein können: etwa durch die Ankopplung an den Euro oder an Edelmetalle, an die eigene Leistungsfähigkeit der Marktteilnehmer oder auch als eine Art Zeitbank. Nicht alle waren gleich effizient und einige sind an der Kompliziertheit in der Praxis gescheitert.

Welche andere Tücken gab es? Das Rheingold etwa, auch ein Regionalgeld, hat sich von vornherein als Kunstprojekt verstanden, um keine juristischen Probleme zu bekommen. Es nahm seinen Anfang in Düsseldorf, vergrößerte aber seine geographische Reichweite so sehr, so daß es als Komplementärwährung in der Peripherie versackte, deshalb im Umlauf quasi unsichtbar wurde und seiner eigentlichen Funktion nicht mehr gerecht werden konnte.

Andere Regionalgelder wiederum blieben eine gute Idee oder sind über die Zeit „eingeschlafen“, da es zu wenige tatkräftige Mitstreiter gab. Manche Initiativen mußten mangels Interesse aufgeben. Der besagte konstruktiv-kritische Artikel erschien 2007 in der Zeitschrift „zeitgeist“ unter dem Titel „Neue Währung, neues Glück: mit dem ,Regio‘ aus der Globalisierungsfalle?“ und hat an Aktualität kaum eingebüßt.

Selbst ich, muß ich gestehen, sah die Idee damals eher als nette Spielerei, ein „Nice-to-have“ also. Das änderte sich im Laufe der letzten Jahre, als gewisse Entwicklungen seitens der Politik begannen, konkreter Gestalt anzunehmen. Ich stellte mir nun Fragen wie:

Was passiert, wenn …
  1. der digitale Euro eingeführt wird und unliebsame Bürger von der Teilnahme am Euro-System direkt oder indirekt ausgesperrt werden? Und das könnten nicht wenige sein …
  2. oder der Euro crasht?
  3. oder aus anderen Gründen kein Geld mehr zur Verfügung steht?

Wie wollen diejenigen dann Geschäfte tätigen? Mit Tauschhandel? Doch was ist, wenn man nichts zu tauschen hat? Mit Schuldscheinen anno dazumal? Wer aber garantiert dann die Echtheit der Schuldscheine? Mit Zigaretten und Schnaps wie im Krieg oder gar mit Edelmetall? Da hätten wir dann noch das Problem des zu hohen Wertes selbst eines winzigen Goldbarrens bei kleineren Einkäufen. Nicht alltagstauglich.

Mir wurde bewußt, daß jetzt die ­Regionalgelder wirklich gebraucht würden! Es gibt zwar auch Ansätze von ­Wirtschaftsplattformen und Verrechnungssystemen für andersdenkende Unternehmen und Verbraucher, etwa im Internet, die mir jedoch entweder zu kompliziert erscheinen oder die Rechtslage unklar ist. Der Regio wäre hier eine einfache und recht schnell nutzbare Lösung.

Und so kam es, daß ich in einem Laden in Mayen in der Eifel einen Flyer fand, in dem von der „RegioMark Rhein/Mosel“ die Rede war und ich beschloß, den Emittenten zu kontaktieren. Dabei erfuhr ich dann, daß der Regio-Trägerverein mich wohl kurze Zeit vorher schon versucht hatte, für den Regio zu gewinnen. Der richtige Zeitpunkt war da. Recht bald wurde meine Buchhandlung und Galerie dann Akzeptanzstelle des Regio Rhein/Mosel und etwas später auch Ausgabestelle, womit die Möglichkeit besteht, Euro in Regio vor Ort einzutauschen.

Wie ich feststellen durfte, formt der Regio auch eine auf Vertrauensvorschuß basierende Gemeinschaft in der Heimatregion, in dem man sich gut aufgehoben fühlen kann: Man lernt Gleichgesinnte kennen, gewinnt neue Kunden oder probiert mal was Neues aus, inspiriert von den Angeboten und Dienstleistungen auf der Liste der Akzeptanzstellen.

Was jedoch nicht vergessen werden darf: Diese Gemeinschaft lebt vom ehrenamtlichen Einsatz der Verantwortlichen der Regio-Initiative, sie gedeiht aber erst mit dem Engagement aller Beteiligten – Unternehmen wie Verbrauchern.               

Autor: Thomas Röttcher
zeitgeist-online.de

 

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