Biozyklisch veganer Anbau – Interview mit dem Agraringenieur Dr. Johannes Eisenbach

You are currently viewing Biozyklisch veganer Anbau – Interview mit dem Agraringenieur Dr. Johannes Eisenbach

Johannes Eisenbach lebt eine echte Mission. Mitte der Neunziger Jahre kam er mit seiner Familie nach Griechenland und hat alle Höhen und Tiefen des griechischen Wirtschaftssystems miterlebt. Inklusive der Umstellung auf den Euro. Er gründete eine der ersten Biofirmen des Landes, und der von ihm propagierte „biozyklische“ bzw. „biozyklisch-vegane“ Anbau ist heute richtungsweisend in der Ökobranche.


Lieber Herr Eisenbach, seit Jahren berichten wir über die Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft. Sie sind seit Mitte der 90er Jahre in Griechenland und erforschen dort die Entstehung von Humuserde unter biozyklisch-veganen Anbaubedingungen. Was hat Sie bewogen, nach Griechenland auszuwandern?

Dr. Johannes Eisenbach: Ich würde es nicht „auswandern“ nennen. Es stand für mich seit meiner Kindheit fest, daß ich irgendwann einmal (wieder) dort leben und arbeiten würde. Dasläßt sich nicht nur rational erklären. Dazu gehört auch, daß ich die griechische Sprache eigentlich nie „erlernen“ mußte. Es reichte der zündende Funke des Altgriechisch-Unterrichts, und alles war praktisch wieder da. Und natürlich war da auch der Kontakt zu den in Wiesbaden und Umgebung lebenden Griechen, mit denen ich meine Jugend verbracht habe.So kam es, daß ich in meiner Freizeit mehr griechisch als deutsch redete. Ein Ausbildungsseminar der Agrarbank von Griechenland für junge Auslandsgriechen, zu deren einer ich von der Seminarleitung kurzerhand erklärt wurde, um an der fünfwöchigen Veranstaltung teilnehmen zu können, hat dann auch meinen späteren akademischen und beruflichen Weg geprägt, im Rahmen dessen ich mich überwiegend mit Themen, die die Zukunft der Landwirtschaft Griechenlands betraf, beschäftigte.

Da scheint eine frühere Inkarnation durchzuschimmern … In Griechenland gelten Sie als echter Ökopionier, der seit Jahren dafür kämpft, das Thema „Bio“ in der Landwirtschaft flächendeckend zu etablieren. Wo sehen Sie die Chancen und wo die aktuellen Hindernisse?

Dr. Johannes Eisenbach: Bio-Landwirtschaft läßt sich dauerhaft nicht durch Subventionen etablieren, sondern durch Bewußtseinswandel, sowohl beim Verbraucher als auch beim Erzeuger. Subventionen führen immer zu Verwerfungen, Trägheit und „Trittbrettfahrertum“. Antragsschübe werden mitunter durch staatliche oder europäische Fördermöglichkeiten ausgelöst. Von Bestand ist so etwas allerdings nicht, und das Geld reicht für die vielen Anträge sowieso nicht aus. Aufbauarbeit kann nur durch Vorbild und Freude am Entdecken der natürlichen Zusammenhänge geleistet werden. Am hilfreichsten dabei ist, wenn der Verbraucher durch seine Kaufentscheidung solche Initiativen stützt.

So haben wir von Anfang an versucht, durch die Anbindung der vielen kleinen bäuerlichen Bio-Betriebe Griechenlands und Zyperns an die internationalen Absatzmärkte für Bio-Produkte, Anreize zu schaffen, diesen neuen Weg einer zukunftsfähigen Landbewirtschaftung mitzugehen. Mittlerweile vermeiden wir die etablierten Absatzkanäle des Lebensmitteleinzelhandels und unterstützen neue Wege des Direktabsatzes wie den Vertrieb über Solawis, Biokistenanbieter oder genossenschaftliche Abholgruppen.

Während die uns bekannten ökologischen Qualitätszertifikate wie Bioland oder Demeter noch immer eine Kreislaufwirtschaft propagieren, in welcher das Nutztier eine essentielle Rolle spielt, haben Sie in den vergangenen Jahren den sogenannten „biozyklisch-veganen Anbau“ etabliert. Also ein „tierfreies“ System! Warum Landwirtschaft ohne Tiere? Sind Nutztiere nicht ein wichtiger Aspekt, wenn es um natürliche Kreisläufe geht?

Dr. Johannes Eisenbach: In der Natur ist keine Pflanze auf Anwesenheit von Tieren als Nährstofflieferanten angewiesen. Deshalb brauchen Pflanzen auch keinen Mist, um wachsen zu können. Mist, und selbst daraus gewonnener Kompost, enthalten in der Regel wasserlösliche Nährstoffe. In der Natur sind in der Regel alle Pflanzennährstoffe vorhanden, aber in nicht-wasserlöslicher Form organisch gebunden.
Daher hat die Pflanze im Laufe ihrer Evolution zwei unterschiedliche Verfahren zur Sicherung ihrer Ernährungsgrundlage entwickelt: ein passives zur Wasseraufnahme durch physikalisch-osmotische Prozesse (Zelldruck, Verdunstung) und ein aktives zur Nährstoffaufnahme durch chemisch-biologische Prozesse (Wurzelsäuren, Enzyme, Symbiose). Gleichzeitig mit der aktiven Nährstoffaufnahme wird das Immunsystem der Pflanze gestärkt, weswegen es in der Natur wenig kranke Pflanzen gibt.

In einer Landwirtschaft, in der Nährsalze über das Wasser angeboten werden, ob nun über Mist oder Kunstdünger, zwingen wir die Pflanze zu einer passiven Nährstoffaufnahme über das Wasser, das sie zum Überleben braucht. Sie kann auf diesem Wege aber kaum bestimmen, welche Nährstoffe sie aufnehmen will. Folge davon sind Überdüngung (hohe Nitratgehalte, schnelle Fäulnis) oder Mangelerscheinungen.
Im biozyklisch-veganen Anbau ohne tierischen Dung und ohne die Verabreichung von Betriebsmitteln tierischen Ursprungs führen wir unsere Pflanzen eigentlich nur wieder zu einem normalen Zustand zurück. Ziel dabei ist, das gesamte Nährstoffangebot über dauerhaft gebundene Humusformen wie sie z. B. in Biozyklischer Humuserde, die aus reifem Kompost gewonnen wird, oder in Terra-preta-ähnlichen Erden vorliegen, sicherzustellen.


Die Zahl der Vegetarier und Veganer wächst seit Jahren! Und das ist natürlich gut so – vor allem, wenn man sich die furchtbaren Massentierhaltungsfabriken anschaut, in denen auf geradezu unmenschliche Weise unsere Mitlebewesen zu Tode gequält werden. Dennoch besteht beim Thema Ernährung auch immer die Gefahr, daß bestimmte Ernährungsphilosophien zu einer Art Ersatzreligion werden. Dann sind Vegetarier plötzlich bessere Menschen als Fleischesser, der Bio-K unde blickt auf den konventionell wirtschaftenden Landwirt herab etc. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Dr. Johannes Eisenbach: Diese Gefahr besteht tatsächlich, und wir müssen ihr in aller Entschiedenheit entgegenwirken. Es hängt von vielen Faktoren ab, ob ein Mensch in der Lage ist, ganz auf Fleisch zu verzichten. Eines steht jedoch fest: alle Menschen sind in der Lage, den Fleischkonsum drastisch zu reduzieren. Schon der vorübergehende Verzicht auf Fleisch wirkt sich erfrischend und reinigend auf den Organismus aus. Viele Menschen merken dabei erst, daß sie eigentlich gar kein Fleisch und Milchprodukte vertragen und daß viele Allergien und Beschwerden ursächlich als Reaktion des Körpers auf den Verzehr von tierischen Produkten zu interpretieren sind.

Bauern, die nach den biozyklisch-veganen Richtlinien arbeiten, wollen einerseits aufzeigen, daß man schmackhafte und vollwertige Nahrungsmittel auch ohne die Kombination mit Tierhaltung erzeugen kann und gleichzeitig damit Menschen, die sich konsequent vegan ernähren wollen – und dazu gehört eben auch, daß die Pflanzen ohne Mist und andere tierische Exkremente angebaut wurden – die Möglichkeit bieten, Pflanzenkost zu genießen, die ohne Tierleid erkauft wurde und ohne die anderen negativen Umweltfolgen, die die bisher bekannten Haltungsformen von Tieren, ob bio oder konventionell, mit sich brachten.

Ich habe gelesen, daß Sie nun einen sogenannten Humus-Fonds als eine Art „natürliche Alternativwährung“ anbieten. Können Sie unseren Lesern kurz erklären, was es damit auf sich hat und wie sich Interessierte hier einbringen können?

Dr. Johannes Eisenbach: Gerne! Fruchtbare Erde zählt zusammen mit Licht, sauberer Luft und Trinkwasser zu den elementaren Voraussetzungen des menschlichen Lebens. Durch die Entdeckung der vielfältig nützlichen und auf Umwelt und Mensch sogar heilenden Wirkungen von Biozyklischer Humuserde wurde mir bewußt, daß wir an möglichst vielen Orten dieser Erde dieses Naturgeschenk eines gesundenden Bodens entstehen lassen müssen.
Leider stehen diesem Vorhaben massive wirtschaftliche Interessen entgegen, so daß es unter den derzeitigen ökonomischen Bedingungen nicht dazu kommen würde, daß sich Biozyklische Humuserde bilden kann, es sei denn, wir setzen den Vorgang durch eine Initialzündung in Gang, der eine offensichtliche Finanzierungslücke überwinden hilft.
Denn weder können herkömmliche Kompostanlagen ihren Kompost so lange reifen lassen, bis er direkt bepflanzt werden kann, noch ist es einem Gartenbau- oder landwirtschaftlichen Betrieb möglich, sich in größerem Umfang das Ausgangsmaterial für eine ca. fünfjährige Veredelungsphase anzuschaffen, um darauf durch biozyklisch-vegane Poly- und Permakultur Humuserde entstehen zu lassen.

Hier übernimmt der „terra plena Fonds“ eine wichtige Vermittlungsfunktion. Durch Einlagen in den „terra plena Fonds“ wird es möglich, in den Aufbau von Biozyklischer Humuserde zu investieren. Dadurch kann pflanzlicher Kompost lizensierten Kompostanlagen abgekauft werden und vor einer zu frühen Vermarktung als „Bodenverbesserer“ geschützt werden.
Das Material wird dann Gärtnern und Bauern bis auf die Transportkosten unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Dort wird es durch Bepflanzung mit Gemüse innerhalb von ca. 5 Jahren mikrobiologisch „veredelt“. Die so entstehende Biozyklische Humuserde ist dann nicht nur nährstoff- und krümelstabilisiert, sondern weist stabile Kohlenstoffverbindungen auf, die ausschlaggebend sind für die dauerhafte Regenerierung der Böden sowie die Steigerung der Erträge der auf Humuserde wachsenden Pflanzen.

Die mit der Transformation von pflanzlichem Kompost in Humuserde einhergehende Wertsteigerung des Materials schafft die Grundlage, Biozyklische Humuserde als einen alternativen Wertaufbewahrungsort anzusehen und die mit der Entstehung verbundene Wertsteigerung als Basis für eine neue Währung, die „terra libra“ heranzuziehen. Diese ist damit vollständig durch einen natürlichen Rohstoff gedeckt.
Indem wir Humuserde als natürlichen Vermögenswert – im Fachjargon „Natural Asset“ – zum Aufbau und zur Sicherung von Vermögen nutzen und als wertstabiles Tauschmittel anbieten, steigern wir die Attraktivität von Investitionen in die Gesundung unserer Erde und wirken der gegenwärtig stattfindenden Ausbeutung natürlicher Ressourcen entgegen, insbesondere der weltweiten Zerstörung von fruchtbaren Böden, die unvorstellbare Dimensionen angenommen hat.

Dabei kann sich jeder und jede an diesem weltumspannenden Rettungswerk unserer Böden beteiligen. Es gibt dazu verschiedene Möglichkeiten: Primär als „Bodenkurator“, der durch eine Einlage in den terra plena Fonds die Initialzündung für die Entstehung neuer Humuserde gibt und an der dadurch in Gang gesetzten Wertschöpfung beteiligt wird. Die Veredelung des Ausgangsmaterials zu Biozyklischer Humuserde erfolgt im Rahmen eines internationalen Netzwerks von biozyklisch-veganen Erzeugerbetrieben, hauptsächlich aus dem Bereich Gemüseanbau und auf Kompostanlagen, die für eine Kooperation mit dem terra plena Fonds lizenziert werden. Auch aus diesen Kreisen freuen wir uns über Anfragen für eine Zusammenarbeit. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, als „Ambassador“ – also Humuserde-Botschafter – unsere Vision in die Welt zu tragen und uns beim Aufbau einer naturkonformen Wirtschaftsform zu unterstützen.

Lieber Herr Eisenbach, wir bedanken uns für das inspirierende Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer wichtigen Arbeit.

Das Interview führte
Michael Hoppe


Weitere Information zum biozyklisch-veganen Anbau:
https://biozyklisch-vegan.org/

Weitere Informationen zum terra plena Fonds:
https://terra-plena.com

Teilen Sie diesen Beitrag