Artenschwund – Und was wir dagegen tun können!

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Artenschwund – Und was wir dagegen tun können!
Nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern auch in der NATURSCHECK-Region gehen die Tierbestände immer weiter zurück. Naturschützer kritisieren monotone, pestizid- und herbiziddurchtränkte Ackerflächen, in denen Insekten, Vögel und andere Feldbewohner kaum noch Nahrung finden. Wer sich damit nicht abfinden will, der findet hier Tipps, um diesem Trend entgegenzusteuern.

Bilder von Torsten Haag

Bilder von Andreas Scholz

„Ein Bett im Kornfeld, das ist immer frei, denn es ist Sommer, und was ist schon dabei? Die Grillen singen, und es duftet nach Heu, wenn wir träumen.“ Vor allem die Älteren unter uns kennen den Ohrwurm von Schlagerkönig Jürgen Drews noch. Seit der Erstveröffentlichung im Jahre 1976 hat sich jedoch einiges verändert – leider im negativen Sinne: Unter anderem ist das Zirpen der Grillen auf den Getreidefeldern massiv zurückgegangen und teilweise sogar komplett verstummt.

Auch andere Feldbewohner trifft man immer seltener an. Ob Feldhase oder Feldlerche, viele heimische „Ureinwohner“ leiden unter der Intensivierung der Landwirtschaft und dem sukzessiven Flächenverbrauch von Handel und Gewerbe auf der „grünen Wiese“.

Wo sind die Wildtiere geblieben?

Auch Naturschützer in der NATURSCHECK-Region registrieren einen besorgniserregenden Artenschwund an Wald- und Feldrändern, auf Äckern und auf Wiesen. „Vor allem der Bestand von Rebhühnern ist ganz drastisch zurückgegangen.“, erklärt Karl-Heinz Müller vom NABU Öhringen. „Auch der Kiebitz kam früher bei uns vereinzelt vor. Den sieht man nur noch als Durchzügler. Ganz verschwunden ist der Ortolan. Und Grauammer, Goldammer, Feldlerche und Feldsperling sind ebenfalls stark auf dem Rückzug. Krähenvögel orientieren sich immer mehr in Richtung von Wohngebieten“.

Sein Vereinskollege Jürgen Laucher sieht dieselben bedrohlichen Tendenzen in der heimischen Agrarlandschaft: „In der Feldflur verschwindet an erster Stelle der Feldhase, gefolgt von Feldlerche, Kiebitz, Fasan und Rebhuhn. Auf den Wiesen ist fast das gesamte Spektrum der Wildbienen und Tagfalter gefährdet.“ Und wenn wir nicht eingreifen, ist auch keine Besserung in Sicht!

Der Naturschützer Uwe Knorr aus Untermünkheim-Haagen fügt hinzu. „Vielen Schmetterlingsarten am Waldrand, auf den Wiesen oder den Feldern würde es besser gehen, wenn wieder verstärkt auf die extensive Landwirtschaft gesetzt wird. Auch ein Verzicht auf Herbizide und Insektizide könnte Tieren auf den Feldern und Wiesen helfen“.

Für die NATURSCHECK-Leser haben die drei Naturschützer Tipps zusammengetragen, um den Artenrückgang entgegenzuwirken:

Nisthilfen für Vögel anbringen

Nistkästen sind für unsere höhlenbrütenden Vogelarten ein willkommener Ersatz für natürliche Höhlen in alten Laub- oder Streuobstbäumen. Im Internet finden sich zahlreiche Anleitungen für das Bauen von Nistkästen. 

Eine Faustregel: Ein Einflugloch von 28 Millimetern zieht kleinere Meisenarten an. Nistkästen mit 32 Millimetern werden gerne von Kohlmeisen, Feld- oder Haussperlingen belegt. Noch größer muß das Einflugloch für den Star sein. Sogenannte „Halbhöhlennistkästen“ schätzen Haus- und Gartenrotschwanz oder Grauschnäpper. Etwas aufwendiger sind Nistkästen für Waldkauz oder Brutröhren für den Steinkauz.

Im März beginnen Meisen oft schon mit dem Brutgeschäft. Aber auch im April oder sogar im Mai läßt sich ein Nistkasten oft noch problemlos anbringen: denn erst im Laufe des Aprils kehrt beispielsweise der Gartenrotschwanz aus seinem Winterquartier zurück.

Der farbenfrohe Vogel freut sich dann, wenn es noch leere „Wohnungen“ gibt. Zudem werden frisch aufgehängte Nistkästen gerne für eine Zweitbrut angenommen. Viele heimische Singvögel brüten nämlich zweimal im Jahr. Auch als Herbst- und Winterquartier sind Nistkästen bei Höhlenbrütern beliebt.

Wildbienenhotels und Insektenhölzer

Früher aufhängen sollte man jedoch Wildbienenhotels oder Insektenhölzer. Einige Wildbienenarten sind schon im zeitigen Frühjahr unterwegs, wenn die ersten Sonnenstrahlen dafür sorgen, daß Krokusse sprießen und die Schlehenbüsche plötzlich von einem zarten Weißton umhüllt sind.

Wildbienenhotels lassen sich übrigens auch am
Feldrand aufstellen: wichtig ist dann aber, daß es ein entsprechendes Nahrungsangebot für Insekten gibt und sie nicht nur monotone Maisfelder vorfinden.

Insekten- und vogelfreundliche Pflanzen auswählen

Nicht nur im Haus, sondern auch im Garten darf gerne mal ein „Frühjahrsputz“ erfolgen. Wer auf einheimische Sträucher und Pflanzen setzt, darf sich freuen, daß Schmetterlinge vom Feldrand auch mal im Garten vorbeikommen.

Auch wenn die meisten Gartenbesitzer ihr Gemüse nicht mehr selbst anbauen, so sollten sie im Frühjahr dennoch in einer sonnigen bis halbschattigen Gartenecke ein Kräuter- und Gemüsebeet für Wildbienen und Schmetterlinge anlegen. Besonders beliebt: Garten-Salbei, Muskateller-Salbei, Zitronen-Thymian, Oregano (Wilder Majoran), Bergbohnenkraut, Ysop (Bienenkraut) und Lauch. Auch Fenchel und Boretsch kommt bei Insekten gut an.

Selbst eine Gartennische, in der nur Brennnesseln wachsen, sind für viele Tagfalter wie Admiral, Kleiner Fuchs und Landkärtchen zur Eiablage und für deren Raupen zwingend notwendig, aber auch für das Tagpfauenauge, den C-Falter und den Kleinen Fuchs in der Vermehrungsphase sehr hilfreich.

Wesentlich mehr Vorbereitung ist nötig, wenn der Schottergarten oder Zierrasen mittel- bzw. langfristig in eine Blumenwiese umgewandelt werden soll – hier wirkt nach wie vor der Rat von erfahrenen Landschaftsgärtnern wahre Wunder.

Wildsaatgut säen – biologische Vielfalt ernten

Die Saatgutexperten der Rieger-Hofmann GmbH empfehlen: „In Zeiten des Klimawandels und Insektensterbens sollten sich Schottergärten schnellstmöglich in blühende Oasen verwandeln. Wird 10 cm hoch ein korngestuftes Gemisch mit Feinanteilen (0-32 mm) und darauf 2 cm gütegesicherter Kompost aufgebracht, läßt sich ein mageres Substrat herstellen. Dieses bietet heimischen Wildarten einen optimalen Standort.

Durch ihre nicht züchterisch eingeschränkte genetische Bandbreite, ist den Wildarten ihre Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Umweltbedingungen erhalten geblieben. Die gebietsheimischen Wiesen-, Saum- und Blühmischungen der Rieger-Hofmann GmbH bringen Wildartenvielfalt auf die angesäten Flächen. Sie bieten Futterpflanzen und Lebensraum für viele wertvolle Bestäuber der Insektenwelt. Denken sie um, Vielfalt ist möglich!“

Totholz stehen lassen und sparsames Mähen

Auch private Waldbesitzer können für die Feld- und Flurfauna etwas tun. Sie sollten tote Bäume am Waldrand stehen lassen und auch liegendes Totholz fördern. Totholz bietet gute Verstecke für Vögel, und der Zaunkönig baut dort gerne seine Nester.

Besitzer von kleineren Streuobstwiesen sollten neben der regelmäßigen Baumpflege nicht das Aufhängen von Nistkästen vergessen. In Baden-Württemberg sind Streuobstwiesen wichtige Lebensräume für Grauschnäpper, Gartenrotschwanz, Hausrotschwanz, Trauerfliegenschnäpper oder Halsbandschnäpper. Auch der Steinkauz geht nachts auf der Streuobstwiese auf Mäusejagd.

Neben dem Steinkauz ist auch der Grünspecht auf eine intakte Obstwiese angewiesen. Der Verzicht auf Spritzmittel kommt allen Vogelarten in den ökologisch wertvollen Streuobstwiesen zugute. Beim Mähen auf der Streuobstwiese gilt: der erste Schnitt erfolgt erst Ende Mai bis Mitte Juni! Weniger genutzte Ecken dürfen auch gerne ganzjährig vom Rasenmäher verschont bleiben.

Ackerrandstreifen berücksichtigen

In der Regel können nicht alle Wiesen zu natürlichen Biotopen zurückgebaut werden. Bei Wiesen kann jedoch ein Ackerrandstreifen von der intensiven Nutzung ausgeklammert werden, damit sich dieser in einen blühenden Wiesenrandstreifen verwandeln kann. Schnell stellt sich ein positiver Effekt für die Natur ein: Wildbienen und Schmetterlinge werden von den Blütenangebot am Ackerrand magisch angezogen.

Der Wiesenrandstreifen wird nicht mit Gülle bedüngt und sollte maximal zwei Mal im Jahr (statt wie üblich vier bis sechs Mal im Jahr) gemäht werden. Naturschützer gehen davon aus, daß ein blühender Ackerrandstreifen für den Landwirt keine Existenzfrage darstellen wird.

Lerchenfenster und Blühstreifen anlegen

Der Naturschutzbund (NABU) hat die Feldlerche zum Vogel des Jahres 2019 bestimmt, und das nicht ohne Grund: der betörende Gesang der Feldlerche, der früher unverwechselbar von fast jedem Feld ertönte und den Frühling einläutete, wird immer seltener.

Neben Ackerrandblühstreifen könnten daher auch Blühstreifen oder kleine „Lerchenfenster“ mitten im Acker eine Option sein, um die Artenvielfalt in der heimischen Feld- und Flurlandschaft zu erhöhen.

Wildblumenmischungen zum Aussäen gibt es in jedem gut sortierten Gartenfachhandel. Allerdings gehen die Meinungen unter Naturschützern auseinander, was den ökologischen Erfolg angeht. Der Tenor ist: Lerchenfenster sind nur dann sinnvoll, wenn in unmittelbarer Umgebung der Fenster eine Nahrungsgrundlage (Insekten) für die Aufzucht der jungen Lerchen existiert.

Wie immer gilt beim Thema Natur: Maßnahmen für tierische Feldbewohner müssen längerfristig geplant werden. Denn: bei Feldern sind die Weichen leider schon durch die Einsaat von Wintergetreide im Herbst gestellt worden. Der Wunsch von Vogelschützern lautet daher: weniger Wintergetreide anbauen.

Der vermehrte Anbau von Wintergetreide sorgt in den Augen von Naturschützern leider dafür, daß es auf den Feldern schon früh zu einem hohen Pflanzenwuchs kommt und so der Feldlerche das Brüten erschwert wird. Breitere Ackerrandstreifen in Form von Brachen, die bis zum Herbst unbehandelt bleiben, kommen dem Vogel dagegen eher entgegen. Nur wenn die Feldlerche mehrere Bruten pro Jahr durchführen kann, wird sich ihr Bestand wieder erholen.

Text: Andreas Scholz,
Fotos: Andreas Scholz, Torsten Haag, NABU

Weitere Informationen:
Wildblumenmischungen für Wiesen und Co.

Wildbienenhotels bauen:
www.insekten-hotels.de/insektenhotel-bauen.php

Nistkasten bauen:
www.heimwerker.de/nistkasten-selber-bauen

Brutröhren für den Steinkauz bauen:
www.bund-rvso.de/nistkasten-steinkauze.htmlm

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